Zum gemeinschaftlichen Rücktritt gemäß § 24 StGB
Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss vom 09. Oktober 2025 (5 StR 412/25) mit den Anforderungen an den gemeinschaftlichen Rücktritt gemäß § 24 StGB auseinander. Gegenstand des Beschlusses war folgender Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des Landgerichts Leipzig wollte der gesondert Verfolgte G. vom Nebenkläger, mit dem er vormals geschäftlich und freundschaftlich verbunden war, einen mindestens fünfstelligen Geldbetrag in Form von Kryptowährung erlangen. Er plante, den Nebenkläger in dessen Wohnung zu überfallen, den Computer (Laptop) wegzunehmen und die Preisgabe der Zugangsdaten für das E-Wallet zu erzwingen. Da er dem Nebenkläger nicht persönlich gegenübertreten wollte, gewann er für die unmittelbare Tatausführung den gesondert Verfolgten B., der seinerseits den Angeklagten für ein „gutes Spritgeld“ zunächst als Fahrer rekrutierte. Am 28. Januar 2024 trafen sich die Täter in der Nähe der Wohnung des Nebenklägers; B war dem Tatplan gemäß mit einer Machete bewaffnet. Er sollte den Nebenkläger nötigenfalls mit Gewalt unter Einsatz der Machete dazu veranlassen, seinen Laptop zu übergeben und das Passwort zu offenbaren. Die Aufgabe des Angeklagten bestand darin, die Freundin des Nebenklägers unter Kontrolle zu bringen. Der Angriff sollte besonders schnell und möglichst lautlos bewerkstelligt werden, um ein Eingreifen von Dritten, namentlich Wohnungsnachbarn, zu vermeiden.
Die Täter gelangten durch die Tiefgarageneinfahrt ins Wohnhaus. B. und der Angeklagte erwarteten im Treppenhaus die Ankunft des Nebenklägers und seiner Freundin G. hatte sich ein Stockwerk über ihnen positioniert und verbarg sich. Als der Nebenkläger die Wohnung betrat, stieß B. die Tür kräftig auf, so dass jener in den Flur stürzte. Er wurde sofort von B. mit Faustschlägen gegen Kopf und Oberkörper attackiert. Aufgrund der Gegenwehr des zudem durchgehend um Hilfe rufenden Nebenklägers entwickelte sich ein Kampf, in dessen Verlauf B. die Machete zog. Er hielt sie dem Nebenkläger an den Hals und forderte die Herausgabe des Laptops und die Bekanntgabe des Passwortes. In Todesangst griff der Nebenkläger nach der die Machete führenden Hand des B., der sich mit dem „Bodycheck“ befreite. Hierdurch fiel der Nebenkläger in einen Glastisch und erlitt durch die Klinge der Machete tiefe Schnittverletzungen an den Händen, die sofort stark bluteten. Er schrie, dass ihm ein Finger abgeschnitten worden sei. Der Angeklagte hatte während des gesamten Geschehens die Freundin des Nebenklägers an einer Wand im Flur fixiert und sie aufgefordert, still zu sein, da er ihr nicht wehtun wollte. B. wurde unterdessen bewusst, dass sich die Tat anders als erwartet entwickelt hatte. Der Nebenkläger hatte sich heftig gewehrt, schrie laut um Hilfe und war weder ausgeschaltet worden, noch hatte er aufgegeben oder kooperiert. Der Kampf dauerte schon erhebliche Zeit und verursachte viel Lärm. Eine – aus Sicht des B. „ohne Weiteres“ noch mögliche – eigenständige Suche nach Laptop und Passwort würde weitere Zeit kosten, in der der Nebenkläger nicht unter Kontrolle wäre. Dritte könnten die Hilfeschreie wahrgenommen haben und in Kürze eintreffen, was die Flucht erschweren würde. Dies erkennend wollte B. „nur noch weg“. Der Angeklagte nahm durch einen Blickkontakt mit ihm wahr, dass die Tat „nicht weiter fortgeführt werden würde“. Daraufhin verließ er fluchtartig als erster die Wohnung. Der gesondert Verfolgte G. hatte sich auf unbekannte Weise aus dem Gebäude entfernt. Die Täter trafen sich kurz drauf vor dem Gebäude, wo G. die Machete und andere Tatmittel übernahm, welche er später entsorgte.
Das LG Leipzig hat das Geschehen als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet. Der Angeklagte sei, ebenso wie der gesondert Verfolgte B. nicht strafbefreiend vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten. Gegen das Urteil legte der Angeklagte erfolgreich Revision ein.
Nach Auffassung der Karlsruher Richter sind die Erwägungen des LG´s, mit denen es einen strafbefreienden Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung abgelehnt habe, rechtsfehlerhaft, weil es bei der Anwendung des § 24 Abs. 2 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen sei.
Das LG habe angenommen, dass ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch des Erpressungsdelikts für den Angeklagten nicht in Betracht komme, weil er „nicht dazu beitrug, die Tat nicht zu vollenden“, sondern schlicht im Rahmen seines vorgesehenen Tatbeitrages handelte, und die weitere Tatausführung erst abbrach als er die Aufgabe der Tat durch den gesondert Verfolgten B. wahrgenommen hatte. Es wäre ihm aber jederzeit möglich gewesen, die Geschädigte früher loszulassen. Weil er sehr nah neben der Wohnungstür platziert war, hätte er schnell den Tatort verlassen und somit dazu beitragen können, dass er die Tat nicht vollenden werde.
Diese Ausführungen offenbaren einen falschen rechtlichen Maßstab, so der BGH. Denn das Landgericht habe übersehen, dass von § 24 Abs. 2 StGB auch Fälle erfasst werden, in denen bei einem unbeendeten Versuch die Tatbeteiligten einvernehmlich nicht weiterhandeln, obwohl sie den Taterfolg noch herbeiführen könnten. Dass die Tatvollendung verhindernde Verhalten müsse nicht zwingend in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun liegen. Unter den genannten Voraussetzungen sei das bloße Nichtweiterhandeln für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 S. 2 StGB ausreichend.
Die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts durch einvernehmliches Nichtweiterhandeln habe das LG ausgehend von seinem falschen Maßstab nicht in den Blick genommen. Vielmehr habe es allein darauf abgestellt, dass der Angeklagte schon vor dem Entschluss des B. von der weiteren Ausführung der Tat hätte Abstand nehmen können. Da sich aber Anhaltspunkte für einen einverständlichen Abbruch der Tat aus den Urteilsgründen ergeben haben, hätte es sich mit dieser Rücktrittsmöglichkeit auseinandersetzen müssen. Solche sollen sich insbesondere der Einlassung des Angeklagten entnehmen. Danach habe er sich mit B. durch Kopfnicken verständigt, die Tat abzubrechen. Zu den Umständen der Tataufgabe durch den weiteren Tatbeteiligten, den gesondert Verfolgten G. habe es keine Feststellungen getroffen. Damit könne der Senat die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts nicht überprüfen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

