Was bedeutet die „Aussetzung“ eines Menschen gem. § 221 StGB?

Im § 221 des Strafgesetzbuches (StGB) heißt es: „Wer einen Menschen in eine hilflose Lage versetzt oder in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist, und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Eine hilflose Lage ist gegeben, wenn sich das Opfer nicht von einer abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung befreien kann, weil keine geeigneten eigenen oder fremden Rettungsmittel oder hilfsbereite Personen vorhanden sind.

Der Tatbestand des Im-Stich-Lassens setzt voraus, dass der Täter eine Garantenpflicht gegenüber dem Opfer hat. Besteht also ein allgemeines Schutz- oder Betreuungsverhältnis und kommt der Täter dem Opfer nicht zu Hilfe, obwohl er es könnte, oder entfernt sich räumlich von diesem, ergibt sich für das Opfer eine hilflose Lage.

In einem Fall des LG Memmingen war eine Frau nach einer Streiterei mit ihrem Freund aus ungeklärten Gründen über das Balkongeländer ihrer Wohnung gestürzt und konnte sich kaum mehr daran festhalten. Trotz deutlicher Hilferufe unterließ es ihr Freund, sie zu retten. Er rechnete nicht mit einer schweren Folge (so die Strafkammer des LG) und verließ kurze Zeit später die Wohnung. Die Frau stürzte jedoch ab und war sofort tot.

In seinem Beschluss vom 19.12.2011 (1 StR 233/11) hat der BGH festgelegt, dass die Aussetzung stets ein Unterlassungsdelikt ist. Deshalb kommt eine Strafrahmenmilderung gem. § 13 Abs. 2 StGB (Begehen durch Unterlassen) nicht in Betracht. Diese ist auch dann nicht möglich, wenn der Täter durch die Aussetzung den Tod des Opfers herbeiführt (§ 221 Abs. 3 StGB).
Jedoch ist die Rechtsnatur der Aussetzung (Begehungs- oder Unterlassungsdelikt) noch nicht abschließend geklärt worden.

In einem früheren Fall der Aussetzung gem. § 221 StGB (BGH, 4 StR 529/74) hatte ein Gastwirt einen stark betrunkenen Gast am Straßenrand zurückgelassen und war in seine Gaststube zurückgekehrt, nachdem der Betrunkene mehrere Angebote, ihm ein Taxi zu bestellen, abgelehnt hatte. Der Gast fiel später auf die Straße, wurde von einem Auto überrollt und starb einige Zeit später an seinen schweren Verletzungen. Der Wirt wurde wegen Aussetzung mit Todessfolge verurteilt.

Die Entscheidung des BGH 19.12.2011 (1 StR 233/11) wird sich wohl in der einen oder anderen Form in strafrechtlichen Klausuren wiederfinden. Deshalb lohnt es sich, diese Entscheidung im Original zu lesen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Anwalt für Strafrecht aus Berin

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2 Antworten

  1. Stimmt, danke! Wird berichtigt.

  2. anonym sagt:

    Im letzten Absatz sollte es wohl „Entscheidung des BGH“ heißen, das BGB dürfte auf den Fall kaum Einfluss haben.

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