Identitätskarte des Königreich Deutschlands – Zur Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB

Das Bayrische Oberlandesgericht setzte sich jüngst in seinem Beschluss vom 17. März 2025 (201 StRR 4/25) mit der Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB auseinander. Gegenstand des Beschlusses war folgender Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des Landgericht hat der Angeklagte, ein deutscher Staatsangehöriger, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 26. Mai 2023 eine auf seine Personalien lautende „Identitätskarte des Königreichs Deutschland“ verschafft. Aufgrund ihrer Aufmachung im Scheckkartenformat und ihrer optischen Anlehnung an den amtlichen Personalausweis der Bundesrepublik war die geeignet, zumindest bei oberflächlicher Betrachtung den fälschlichen Anschein eines gültigen behördlich ausgegebenen Ausweisdokument zu erwecken, worauf es dem Angeklagten auch ankam. Bei einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle durch die Polizei, bei der der Angeklagte aufgefordert wurde, sich auszuweisen, zeigte er die vorgenannte „Identitätskarte“ in der Erwartung vor, diese werde von den kontrollierenden Polizeibeamten akzeptiert werden, um sich als angeblicher Staatsangehöriger des „Königreichs Deutschland“ auszuweisen.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt und die Einziehung des „Fantasieausweises Königreich Deutschland“ angeordnet. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten sowie die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG verworfen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein, hatte jedoch keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Bayrischen Oberlandesgerichts hält der Schuldspruch wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) rechtlicher Nachprüfung stand. Bei der verfahrensgegenständlichen „Identitätskarte“ handele es sich um eine Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB. Urkunde in diesem Sinne ist jede verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und ihren Aussteller erkennen lässt. Diese Merkmale erfülle die „Identitätskarte“, die als verantwortliche Behörde „Königreich Deutschland“ aufweise.

Die „Identitätskarte“ stelle auch eine unechte Urkunde i.S.d. § 267 StGB dar. Sie weise als ausstellende Behörde das „Königreich Deutschland“ aus. Sie täusche damit darüber, dass der verantwortliche Aussteller eine zur Erstellung amtlicher Ausweise befugte Behörde sei. Unrecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidend sei, dass der rechtsgeschäftliche Verkehr auf einen Aussteller hingewiesen werde, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung stehe. So liege der Fall hier, da keine zur Erstellung von amtlichen Ausweisen befugte Behörde tatsächlich Ausstellerin sei.

Eine Behörde (§ 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB, § 1 Abs. 4 VwVfG) stelle sich als ein ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe dar, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein. Bei einem amtlichen Ausweis (§ 273 StGB) handele es sich um eine Urkunde, die von einer deutschen oder ausländischen Behörde oder sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme, ausgestellt sei, um die Identität einer Person oder ihre persönlichen Verhältnisse nachzuweisen.

Ausgehend hiervon täusche die „Identitätskarte“ darüber, dass der Aussteller des Dokuments eine Behörde sei, die befugt sei, die Identität der abgebildeten Person einschließlich ihrer Staatsangehörigkeit wie bei einem Bundespersonalausweis mit Beweiskraft für und gegen jedermann i.S.d. § 271 StGB zu bestätigen. Dementsprechend sei es für die Frage der Identitätstäuschung vorliegend ohne Bedeutung, dass möglicherweise eine existente private Organisation „Königreich Deutschland“ gedanklich hinter der „Identitätskarte“ stehe.

Nachdem die „Identitätskarte“ schon durch ihre Gestaltung, ihre begriffliche Bezeichnung und schließlich durch ihren Anspruch, die Staatsangehörigkeit des Inhabers zu einem (in Wirklichkeit nicht als Staat existierenden) „Königreich Deutschland“ nachzuweisen, zumindest vordergründig den Eindruck erweckt habe, eine hierzu befugte Institution wollte die Identität und die Staatsangehörigkeit der auf ihr abgebildeten Person  verbindlich bescheinigen, und sie keinen Hinweis auf einen rein privaten Charakter aufweise, erweckte sie den unzutreffenden Eindruck, sie sei im Namen einer existierenden staatlichen Behörde ausgestellt worden.

Der Urkundenqualität stehe insbesondere nicht entgegen, dass keine Behörde existiere, die unter Bezeichnung „Königreich Deutschland“ im Rechtsverkehr auftrete. Denn die tatsächliche Existenz des scheinbaren Ausstellers sei weder für die Frage der Ausstellererkennbarkeit noch für die Frage der Täuschung über die Ausstelleridentität Voraussetzung des Urkundsbegriffs des § 267 StGB. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es sich bei dem Aussteller um einen als solchen ohne weiteres erkennbaren Phantasienamen handelte, bei dem für den Adressaten auf der Hand liege, dass es eine (natürliche bzw. juristische) Person dieses Namens nicht gäbe oder diese jedenfalls nicht Urheberin der Erklärung sei. Dies sei gerade nicht der Fall. Die Identitätskarte habe für ihren Aussteller die Bezeichnung „Behörde“ verwendet, was auf ein amtliches und nicht auf ein rein privates Dokument hindeute. Der angebliche Behördenname „Königreich Deutschland“ gleiche in seinem Kernbestandteil „Deutschland“ dem Staatsnamen der Bundesrepublik Deutschland.

Auch im Übrigen könne der „Identitätskarte“ nicht die Beweiseignung abgebrochen werden. Nach den Urteilsfeststellungen sei ihre Aufmachung so, dass sie jedenfalls bei oberflächlichem Hinsehen, bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- und Informationshintergrund oder bei einem Grenzbeamten im Ausland durchaus für ein gültiges behördliches Dokument gehalten werden könne. Sie enthalte alle wesentlichen Daten, die auch ein Bundespersonalausweis aufweise, und orientiere sich in Aufmachung, Format, Größe und inhaltlicher Gestaltung bis hin zur Gestaltung der Buchstaben -Zahlen.Zeichen-Kombination auf der Rückseite an diesem. Auch die Bezeichnung „Identitätskarte“ verweise auf den amtlichen Bundespersonalausweis, da sie nichts anderes darstelle als die wörtliche Rückübersetzung des in die englische Sprache übersetzten deutschen Wortes für „Personalausweis“ (Identity Card). Der Umstand, dass die „Identitätskarte“ für einen geschulten und aufmerksamen Beobachter Abweichungen zum Bundespersonalausweis, beispielsweise in Farbgestaltung und Wappen erkennen lasse, nehme ihr insbesondere bei flüchtigem Betrachten nicht die Verwechslungsgefahr mit einem amtlichen Ausweisdokument.

Die grundsätzliche Beweiseignung des Dokuments werde bestätigt durch die Feststellungen des LG´s, wonach der kontrollierenden Polizeibeamte im ersten Moment dachte, bei der vorgelegten „Identitätskarte“ handele es sich um einen Bundespersonalausweis, und die Unterschiede erst bei genauerem Betrachten erkannt habe. Die Eignung werde weiter untermauert mit der Einlassung des Angeklagten, wonach er in der Absicht handelte, sich mit Vorlage der „Identitätskarte“ eine „bessere Rechtsstellung bei Kontrollen“  zu verschaffen, was die Beweiseignung des Dokuments denknotwendig voraussetze.

Von dieser unechten Urkunde habe der Angeklagte bei Vorzeigen der „Identitätskarte“ Gebrauch gemacht, § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB. Der Angeklagte habe die dem kontrollierenden Polizeibeamten vorgelegte „Identitätskarte“ den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen zufolge auch zur Täuschung im Rechtsverkehr verwendet. Er habe die Absicht gehabt, sich als Staatsangehöriger des „Königreich Deutschland“ auszuweisen. Hiergegen sei aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Zum einen entspreche dieser Schluss dem Ablauf des äußeren Tatgeschehens, der dadurch gekennzeichnet sei, dass die kontrollierenden Polizeibeamten den Angeklagten aufgefordert hatten, sich auszuweisen, und dieser der Aufforderung durch die Vorlage der „Identitätskarte“ nachgekommen war. Zum anderen habe der Angeklagte, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet und deshalb im Rechtsverkehr kein amtliches Ausweisdokument der Bundesrepublik Deutschland verwenden möchte, selbst angegeben, sich die „Identitätskarte“ zum Zwecke einer „besseren Rechtsstellung bei Kontrollen“ verschafft zu haben, was impliziere, dass er über das Vorliegen eines amtlichen Ausweises täuschen wollte.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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