Gewaltvolle Wegnahme von Rucksäcken voller Betäubungsmittel

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (6 StR 628/21) vom 4. Mai 2022 mit folgendem Sachverhalt auseinander:

Nach den Feststellungen des Landgerichts Magdeburg wurde den Angeklagten G. und R. von einer unbekannten männlichen Person berichtet, dass der Geschädigte H. Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung aufbewahre. Demnach hätten sich die Angeklagten mit dem Unbekannten darüber verständigt, in dessen Auftrag den infrage stehenden Rucksack zu erbeuten und ihn ihm auszuhändigen. Da die Angeklagten sich sicher waren, dass H. den Rucksack nicht widerstandslos aufgeben würde, planten sie, ihn durch Schläge gefügig zu machen. Von dem Unbekannten als Auftraggeber erwarteten sie eine Entlohnung.

Der Unbekannte fuhr die Angeklagten zur Wohnung des Geschädigten. Nach dem gemeinsamen Tatplan sollte der Auftraggeber im Auto warten, während die beiden Angeklagten sich die Beute verschaffen. G. trug während des Tathergangs schwarze Handschuhe, die an der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt waren, um seinen Schlägen mehr Nachdruck zu verleihen, während der Angeklagte R. ein Klappmesser bei sich hatte. Auch ein Bündel Kabelbinder führten die Angeklagten mit sich.

H. öffnete seine Wohnungstür, woraufhin ihn G. zurückdrängte und ihm zweimal ins Gesicht schlug. Derweil verschloss R. die Wohnungstür mit einem im Schloss steckenden Schlüssel. Nach einer kurzen Rangelei gelang es R., H. zu fixieren; G. durchsuchte dessen Wohnung und fand alsbald zwei Rucksäcke. In einem der Rucksäcke befanden sich 2.218,50 Euro sowie 22 MDMA-Tabletten und 57,7 Gramm Marihuana. G. nahm daraufhin die Rucksäcke an sich. Durch den Tumult und die Hilfeschreie des H. wurden dessen Schwester S. und ihr Freund C. in der darunterliegenden Wohnung auf das Geschehen aufmerksam. Versuche, die Wohnung mit einem Zweitschlüssel zu betreten, scheiterten; jedoch gelang es S. und C., auf den Balkon des Geschädigten zu gelangen, von wo aus sie den Tathergang beobachten konnten.

Kurz darauf gelang es H. sich vom R. loszureißen und die Balkontür zu öffnen, woraufhin die Angeklagten versuchten, die Flucht zu ergreifen. G. lief aus der Wohnung des Geschädigten, schaffte es jedoch nicht, das Mehrfamilienhaus zu verlassen, da die Mutter des H. die Eingangstür verschlossen hatte. Dann gelang es C. den G. bis zur Festnahme durch die Polizei zu fixieren, während R. in der Wohnung von C. ergriffen wurde.

Das Landgericht Magdeburg verurteilte die Angeklagten vorliegend wegen des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Gegen R. wurde unter Einbeziehung früher gegen ihn verhängter Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten ausgesprochen. G. wurde unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein. Sie wendete sich dagegen, dass die Angeklagten nicht wegen vollendeten besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt worden sind. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel hatten Erfolg.

Der BGH führte in seinem Beschluss zunächst aus, dass das Vorbringen der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten hätten sich wegen vollendeten besonders schweren Raubes gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht, begründet sei. Demnach sei die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet werde. Dies sei zu bejahen, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser nicht mehr über die Sache verfügen könne, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Vorliegend führten die Beobachtung des Tathergangs durch S. und C. oder die alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme keineswegs zu einer Nichtvollendung der Tat. Dadurch würde lediglich die Rückgabe der infrage stehenden Gegenstände an den bisherigen Gewahrsamsinhaber ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des Täters sei für die Vollendung der Wegnahme jedoch nicht erforderlich.

Demzufolge hätten G. und R. spätestens das Gewahrsam des H. an dem Geld, den MDMA-Tabletten und dem Marihuana gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als G. die Wohnung des H. verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass G. und R. das Wohnhaus nicht verlassen konnten, stehe einer Vollendung der Tat hier nicht entgegen; es führe lediglich dazu, dass die Tat mittels Sicherung der Beute nicht beendet wurde.

Abschließend führten die Schuldspruchänderungen zur Aufhebung der Strafaussprüche und des den Angeklagten G. betreffenden Ausspruchs über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in eine Entziehungsanstalt. Im Übrigen würden die Maßregelaussprüche bestehen bleiben.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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