Eingehungsbetrug bei nicht sofortiger Zahlung trotz deren Vereinbarung

Eines der umstrittensten Tatbestandsmerkmale des Betruges gemäß § 263 StGB ist der Vermögenschaden. Ein Großteil entsprechender Streitigkeiten drehen sich im Wesentlichen um zwei Fragen; was ist Gegenstand des strafrechtlich geschützten Vermögens und wann liegt ein entsprechender Schaden vor.

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichtshofs (4 StR 586/19) befasste damit, wenn ein entsprechender Vermögensschaden vorliegt. Genauer mit der vom Bundesgerichtshof anerkannten Figur des Eingehungsbetruges.

Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Absatz 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung. 

Wurde der Geschädigte zum Abschluss eines Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt, etwa weil der Wert des tatsächlich erworbenen Anspruchs hinter dem der täuschungsbedingt vereinbarten Forderung zurückbleibt.

Der Angeklagte suchte die als Prostituierte auf dem Straßenstrich tätige Geschädigte auf. Der Angeklagte war in der Vergangenheit bereits mehrfach deren Kunde gewesen und ihm war bekannt, dass die Geschädigte für Geschlechtsverkehr üblicherweise 40 € bis 50 € verlangte. Ihm war auch bewusst, dass er kein Geld bei sich hatte und erst in einigen Tagen sein Gehalt ausgezahlt bekommen würde. Die beiden einigten sich auf die Ausübung des Geschlechtsverkehrs, wobei die Geschädigte – anders als im Rahmen der Straßenprostitution sonst üblich – keine Vorkasse vom Angeklagten verlangte. Als die Geschädigte den Angeklagten nach Beendigung des Geschlechtsverkehrs aufforderte, ihr das Entgelt zu zahlen, offenbarte ihr der Angeklagte, dass er jetzt kein Geld bei sich habe.

Nun stellte sich die Frage, ob die Geschädigte bereits deshalb einen Vermögensschaden erlitt, weil der Angeklagte nicht zur vereinbarten sofortigen Zahlung in der Lage war. Entscheidend ist hierbei, ob der Wert des Anspruchs gegen den Angeklagten im Rahmen der Gesamtsaldierung als gemindert zu betrachten ist.

Da es sich vorliegend um einen Vertrag handelt, welcher die Erbringung sexueller Leistungen zum Gegenstand hat, ist anzumerken, dass nach § 1 Satz 1 ProstG, eine rechtswirksame Forderung der Geschädigten auf das für die sexuelle Leistung vereinbarte Entgelt entstand, nachdem die verabredete Leistung erbracht wurde.

Der BGH führte im Zuge dessen aus, dass in Fällen abredegemäß sofort in bar zu begleichender Entgeltforderungen die Unfähigkeit des Schuldners, sofort zu bezahlen, bei wirtschaftlicher Betrachtung in aller Regel zu einem geminderten Wert des Anspruchs gegenüber dem täuschungsbedingt Vereinbarten führt. Entgegen der getroffenen Abrede kann der Gläubiger über die ihm zustehenden Geldmittel nicht sofort wirtschaftlich frei verfügen. Die spätere Erfüllung des Entgeltanspruchs hängt von der anderweitig bestehenden oder künftig erst eintretenden Zahlungsfähigkeit sowie der fortbestehenden Zahlungsbereitschaft des Schuldners ab. Das hieraus resultierende Ausfallsrisiko trifft den Gläubiger. Da es nach der täuschungsbedingt getroffenen Vertragsabrede gerade nicht übernommen werden sollte, ist die Übernahme dieses Risikos auch nicht in die Vereinbarung der Höhe des Entgelts miteingeflossen. Auch die Notwendigkeit Vorkehrungen treffen zu müssen, um die Erfüllung der Forderung in der Zukunft möglich zu machen, hat bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Minderung des wirtschaftlichen Wertes des Anspruchs gegenüber der täuschungsbedingt vereinbarten sofortigen Barzahlung zur Folge. Somit erlitt die Geschädigte infolge der Abrede sofortiger Zahlung einen Vermögensschaden.

Angesichts der erst in einigen Tagen eintretenden Zahlungsfähigkeit der Angeklagten konnte der entstandene Schaden auch nicht dadurch ausgeglichen werden, dass im für die Gesamtsaldierung maßgeblichen Zeitpunkts der Vermögensverfügung die zeitnahe Erfüllung der Entgeltforderung mit Sicherheit zu erwarten stand.

Wesentlich für die Frage, ob infolge vereinbarter sofortiger Zahlung und bei anschließend unterbliebener Zahlung ein Vermögensschaden eintrat sind im Rahmen des Eingehungsbetruges folglich zwei Umstände. Erstens liegt ein Vermögensschaden in der Regel bereits vor, wenn der Schuldner bei abredegemäß sofort in bar zu begleichender Entgeltforderungen nicht zur sofortigen Zahlung fähig ist. Dieser kann nur dann entfallen, wenn die zeitnahe Erfüllung der Entgeltforderung mit Sicherheit zu erwarten stand.3

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