Bildern in einer WhatsApp Gruppe hochgeladen – Zum Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB

Das OLG Celle musste sich in seinem Beschluss vom 11. Oktober 2022 (2 Ss 127/22) mit dem Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB auseinandersetzen. Konkret lag dem Beschluss folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach den Feststellungen postete der Angeklagte in einer zu diesem Zeitpunkt aus jedenfalls 60 Personen bestehenden WhatsApp Gruppe namens „BH“ ein Farbbild, das einen weißen Mann zeigt, der auf einem blauen Fahrrad fahrend ein dunkelhäutiges Kleinkind verfolgt. Dabei hält er in der rechten Hand eine Schusswaffe, mit der er auf das Kind zielt. Über dem Foto befindet sich der Schriftzug „wenn beim Grillen die Kohle abhaut“. In der selben Gruppe postete er binnen weiniger Sekunden drei Bilder. Nach den Feststellungen des Landgerichts zeigt das erste dieser Bilder zwei offensichtlich als Bäcker oder Konditoren bekleidete Männer, die eine große Torte präsentieren., auf der sich in der Mitte ein Hakenkreuz sowie der Text: „Unserem Führer zum Geburtstag“ befinden. Das zweite Bild beinhaltet die Überschrift „Jung, Brutal, Gutaussehend“ und zeigt AH in Hakenkreuz-Uniform mit einer Sonnenbrille, wobei unten rechte der Slogan „Reich-Ban, Genuine Since 1933“ abgebildet ist. Auf dem dritten Farbbild ist schließlich eine Eule zu sehen, die eine Armemütze der Reichswehr trägt, auf der vorne in der Mitte ein Totenkopf-Symbol angebracht ist. Das Bild weist unten in fetter weißer Schrift die Textzeile „Der Holokauz kommt dich holen“ auf.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht Bückeburg verworfen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein, allerdings ohne Erfolg.

Nach Ansicht des OLG Celle tragen die Feststellungen des LG den Schuldspruch wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es stehe außer Frage, dass der Angeklagte durch das Hochladen des Bildes eile der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht und deren Menschenwürde angegriffen habe. Die Tathandlung sei entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. § 130 Abs. 1 StGB setzte gerade nicht voraus, dass die Tat öffentlich begangen werde. Als wesentliches Kriterium für die friedensstörende Eignung sei vielmehr die bloße Öffentlichkeitsfähigkeit des Angriffs ausreichend. Maßgeblich sei, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen sei, dass der Angriff einer breiten Öffentlichkeit bekannt werde. Die Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 1 StGB setzte dabei nicht voraus, dass der Täter den Angriff auf die Menschenwürde im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB selbst der Öffentlichkeit zugänglich mache. Vielmehr könne selbst die Zuschrift gegenüber einer Einzelperson genügen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen sei, dass der Angriff hierdurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt werde.

Hieran gemessen komme dem durch die Berufungskammer festgestellten Hochladen des Bildes in die WhatsApp Gruppe namens „BH“ mit jedenfalls 60 Personen eine friedensstörende Eignung zu, denn der Angeklagte adressierte das Bild keineswegs an einige wenige Personen, auf deren Diskretion er vertrauen konnte. Nach den Feststellungen des Urteils waren dem Angeklagten die Mitglieder der WhatsApp Gruppe zwar nicht näher bekannt; es sei dem Angeklagten allerdings bewusst gewesen, dass die Gruppen-Mitglieder rechte und ausländerfeindliche Tendenzen gehabt hätten. Vor diesem Hintergrund wäre im Zeitpunkt der Tathandlung eindeutig damit zu rechnen, dass das von dem Angeklagten hochgeladene Bild über die Mitglieder der WhatsApp Gruppe hinaus einer Vielzahl weiterer Personen zugänglich gemacht werden würde. Dies ergebe sich schon aus dem allgemeinkundigen Umstand der massenhaften, über den Instant-Messaging-Dienst vorgenommenen Weiterverbreitung dort ausgetauschter Bild-Dateien. Vorliegend trete entscheidend hinzu, dass insbesondere aufgrund der festgestellten ausländerfeindlichen Gesinnung der Mitglieder der Gruppe sowie des fremdenfeindlichen und dunkelhäutige Menschen herabwürdigenden Charakter des hochgeladenen Bildes mit einer Weiterverbreitung an eine unbekannte Vielzahl weiterer Personen zu rechnen war.

Das OLG Celle führte weiter aus, dass soweit die Revision geltend mache, durch das erneute Hochladen des bereits früher in der Gruppe „BH“ geposteten Bildes habe der Angeklagte nicht die zur Erfüllung des Tatbestandes erforderliche eigene Äußerung vorgenommen, sondern Äußerungen Dritter wiedergegeben, gehe der Einwand fehl. Insoweit mache die Revision zwar im Ansatz zutreffend geltend, dass es sich bei der Tat nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB um ein persönliches Äußerungsdelikt handelt und das Verbreiten fremder Erklärungen nur dann den Tatbestand erfülle, wenn der Täter sich den volksverhetzenden Inhalt erkennbar zu eigen mache. Nach den Urteilsfeststellungen bestehen jedoch keine Zweifel daran, dass sich das (erneute) Hochladen des Bildes als Ausdruck eigener Missachtung und Feindseligkeit und damit als eigen Äußerung darstelle.

Darüber sei auch der Schuldspruch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. nicht zu beanstanden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers sei ein „Verbreiten“ im Sinne der Norm durch die von dem Angeklagten hochgeladenen weiteren Bilder in der WhatsApp Gruppe „BH“ gegeben, denn dieses setzte weder voraus, dass Kennzeichen der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und 4 oder Abs. 2 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen einem größeren, nicht bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erwerber in dieser Weise verfahren werde. Hieran gemessen liege ein Verbreiten im Sinne der Norm vor, denn der Angeklagte mache die Bilder jedenfalls 60 Personen zugänglich. hinsichtlich derer er es nach den Urteilsfeststellungen angesichts ihrer politischen Einstellung für möglich gehalten hat, sie würden die hochgeladenen Bilder über WhatsApp an Dritte und damit einen größeren, nicht bestimmbaren Personenkreis weiterleiten.

Das OLG Celle betonte schließlich, dass der Einwand, die Tathandlung des Angeklagten sei durch die Kunstfreiheit gedeckt, nicht durchgreife. Dabei könne der Senat offenlassen, ob das mit der Überschrift „Jung, Brutal, Gutaussehend“ überschriebene Bild, das AH in Uniform mit einer Sonnenbrille zeige und mit dem Slogan „Reich-Ban“ versehen sei, jedenfalls auch einer satirischen Interpretation zugänglich sein könnte, so dass eine Strafbarkeit ausscheiden würde, wenn nicht das eigentliche Ziel der Darbietung die Werbung für die verfassungswidrige Organisation sei. Denn im Hinblick der beiden weiteren in engem zeitlichem Zusammenhang hiermit hochgeladenen Bilder sei der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG von vornherein nicht betroffen, weil sie unzweifelhaft keinen satirischen Charakter ausweisen bzw. das eigentliche Ziel der Darbietung eindeutig die Werbung für die verfassungswidrige Organisation sei.

 Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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