Zur Abgrenzung zwischen Beihilfe und Mittäterschaft

Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich jüngst in seinem Urteil vom 08. April 2025 (1 StR 372/24) mit der Abgrenzung zwischen Beihilfe (§ 27 StGB) und der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB).

Nach den Feststellungen des Landgericht Freiburg im Breisgau hat der Angeklagte im Tatzeitraum von Juli bis August 2022 eine mutmaßlich aus Großbritannien agierende, professionell organisierte Tätergruppierung von mindestens drei Personen jeweils telefonisch nach dem Modus Operandi „Schockanrufe“ in insgesamt zehn Fällen vorwiegend ältere Menschen kontaktiert. Dabei nahmen die Mitglieder der Tätergruppierung (sogenannte Keiler) Kontakt zu den Geschädigten auf und gaben sich als Polizeibeamte oder sonstige Angehörige von Strafverfolgungsbehörden aus. Durch geschickte Gesprächsführung wurden den Geschädigten persönliche Informationen entlockt und ihnen wahrheitswidrig vorgetäuscht, dass eine ihnen nahestehende Person einen Verkehrsunfall verursacht habe und nur gegen Zahlung einer Kaution – in der Regel in Form von Bargeld oder Wertgegenständen wie zum Beispiel Schmuck – aus der Untersuchungshaft entlassen werde. Die Geschädigten wurden so gezielt durch Aufbau psychischen Drucks dazu gebracht, im Vertrauen auf die Richtigkeit der behaupteten Notlage die jeweiligen Vermögenswerte in passende Behältnisse zu packen und an einem ihnen vorgegebenen Ort an einen ihnen – teils namentlich – angekündigten Boten, den sogenannten Abholer, zu übergeben. Diese Abholer wurden rekrutiert, die von den Geschädigten deponierten Vermögenswerte oder Wertgegenstände abzuholen und nach näherer Weisung an weitere Tatbeteiligte weiterzugeben. Als ein solcher Abholer fungierte in allen zahn verfahrensgegenständlichen Fällen der Angeklagte. Die Vergütung sollte 150,00 € pro Tag zuzüglich Spesen betragen. Der Angeklagte erhielt einen Vorschuss in Höhe von 400,00 € und ein günstiges Handy mit SIM-Karte. In der Folgezeit holte der Angeklagte ab 29. Juli 2022 in insgesamt zehn Fällen jeweils auf telefonische Anweisung einer Kontaktperson an vorgegebenen Orten, zu denen die Geschädigten ebenfalls telefonisch gelotst wurden, die vorbereiteten Geldbeträge und Wertgegenstände ab. In den Fällen 4 und 6 bis 10 der Urteilsgründe stellte er sich mit dem den Geschädigten vorab mitgeteilten Namen vor bzw. bestätigte diesen auf Nachfrage. In den Fällen 1 bis 8 und 10 brachte der Angeklagte die Beute sodann zu ihm benannten Orten in Frankreich oder den Niederlanden und übergab sie dort an weitere Tatbeteiligte. Im Gegenzug erhielt er seine Vergütung in bar und jeweils ein neues Mobiltelefon mit SIM-Karte.

Das LG bewertete die festgestellten Taten als Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug gemäß §§ 263 Abs. 1 und 5, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2, 53 StGB. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügte die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie begehrte die Verurteilung wegen (mittäterschaftlichen) gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hatte Erfolg. Nach Auffassung der Karlsruher Richter ergeben die Feststellungen des LG, dass der Angeklagte sich des (mittäterschaftlich begangenen) gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gemäß §§ 263 Abs. 1 und 5, 25 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 2 StGB schuldig gemacht habe.

Ob die Beteiligung an einer Bandentat als (Mit-)Täterschaft oder als Beihilfe einzuordnen sei, bestimme sich nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts. Danach sei Täter, wer alle Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes selbst erfülle. Eine Strafbarkeit nur wegen Beihilfe scheide in einem solchen Fall aus. Sei dies nicht der Fall, sei Raum für eine wertende Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe.  Wesentliche Anhaltspunkte seien dabei der Grad des Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Diese Umstände seien in die erforderliche wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Dies zugrunde gelegt habe der Angeklagte in allen Fällen als Täter gehandelt. Er verwirklichte den gesetzlichen Tatbestand des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in eigener Person, so dass es zur Annahme von Täterschaft weder der Zurechnung der Tatbeiträge Dritter gemäß § 25 Abs. 2 StGB noch einer wertenden Betrachtung seines Tuns bedürfe. In den Fällen 4 und 6 bis 10 der Urteilsgründe täuschte der Angeklagte die Geschädigten ausdrücklich, indem er sich diesen mit einem falschen, vorher von en sogenannten Keilern mitgeteilten Namen vorstellte. In den Fällen 1 bis 3 und 5 der Urteilsgründe täuschte er durch schlüssiges Verhalten, nämlich durch sein Auftreten. Einer weiteren Kommunikation bedurfte es nicht. Die Geschädigten konnten das Erscheinen des Angeklagten nur so verstehen, dass es sich bei ihm um die in den Telefonaten angekündigte, zur Abholung befugte Amtsperson handelte. Hierauf gründeten die von den Geschädigten im direkten Anschluss an das Vorstellen als Amtsperson getroffenen Vermögensverfügungen und der jeweils eingetretene Vermögensschaden.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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