Patientenverwechselung – der Versuch der schweren Körperverletzung

Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich jüngst in seinem Beschluss (1 StR 403/23) vom 17. April 2024 sowohl mit dem Versuch der schweren Körperverletzung. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach den Feststellungen des Landgerichts München I sterilisierte der Angeklagte, Facharzt für Allgemeinchirurgie, am 10. März 2016 im Rahmen einer Operation zur Behebung eines beidseitigen Leistenbruchs den 17-jährigen unter Autismus leidenden P. Er ging aufgrund einer Personenverwechslung davon aus, G. zu operieren, bei dem zeitgleich zur Behandlung des Leistenbruchs eine Sterilisation durchgeführt werden sollte. Unmittelbar im Anschluss an den Eingriff erkannte der Angeklagte seinen Irrtum. Er legte die Personenverwechselung noch am...

Die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung bei der räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB

Sowohl in der Praxis als auch in der juristischen Ausbildung spielt der Tatbestand der räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB eine wichtige Rolle. In dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06. Dezember 2022 (2 StR 223/22) ging es darum, dass das Landgericht Hanau die Angeklagten unter anderem wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt hatte. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten hatte vor dem BGH Erfolg. Nach Auffassung der Karlsruher Richter wird die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten haben in rechtswidriger Bereicherung gehandelt, von den Feststellungen nicht getragen. Der BGH führte insoweit zunächst aus, dass...

Besonders schwerer Raub in Tateinheit mit Körperverletzung; und „unerlaubter“ Erwerb von Betäubungsmitteln

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (4 StR 95/24) vom 21. Mai 2024 mit folgendem Sachverhalt auseinander: Nach den Feststellungen des Landgerichts Bielefeld erhielt der Angeklagte am 17. Januar 2023 von einer unbekannten Person 13,16 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum. Am 2. April 2023 soll der Angeklagte zudem dem Geschädigten auf einem Elektroroller aufgelauert haben und ihm einen schmerzhaften Faustschlag ins Gesicht versetzt haben. Unmittelbar nach dem Faustschlag entriss der Angeklagte dem zu Boden gestürzten Geschädigten dessen mitgeführten Rucksack und nahm das darin befindliche Bargeld, die Ausweispapiere sowie die Bankkarten an sich. Zudem entnahm er dem Geschädigten dessen Mobiltelefon...

Nicht einmal mehr Rechtsschutzversicherungen kann man mehr trauen…

Manchmal hat man einfach Pech… Normalerweise freuen sich Rechtsanwälte über Mandanten mit Rechtsschutzversicherungen, denn diese gelten als solvente Schuldner. Aber unglücklicherweise kann auch eine Rechtsschutzversicherung in die Insolvenz rutschen, wie unsere Kanzlei nun feststellen musste. Im März erreichte uns ein Schreiben, dass die Rechtsschutzversicherung ELEMENT Insurance AG unsere Rechnung nicht zahlen könne, da das Insolvenzverfahren über diese Versicherung beim Amtsgericht Charlottenburg eröffnet wurde. Trotz bestätigtem Versicherungsschutz können die Beträge nicht ausgeglichen werden. Damit haben wir nicht gerechnet. Für uns heißt das: Neue Erfahrungen sammeln, da wir als Strafrechtskanzlei dadurch auch mal mit einem Insolvenzverwalter in Berührung kommen. Eine Erfahrung, auf...

Kann ein Totschlag durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt sein?

Die Notwehr gemäß § 32 StGB ist sowohl in strafrechtlichen Klausuren als auch in der Praxis relevant. Der § 32 Abs. 1 StGB lautet wie folgt: „(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“ Gemäß § 32 Abs. 2 StGB ist Notwehr die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich jüngst in seinem Beschluss vom 07. Januar 2025 (2 StR 530/24) mit der Notwehr. Konkret lag dem Beschluss folgender Sachverhalt zugrunde: Nach den Feststellungen des Landgerichts Köln lebte der Angeklagte zusammen mit...

Das Mordmerkmal der sonst niedrigen Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2,Gruppe 1, Variante 4 StGB

Dem Beschluss des Bundesgerichthofs (2 StR 79/23) vom 12. Oktober 2023 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Angeklagten wurde vor 10 bis 15 Jahren ein Kilogramm Kokain entwendet. Er schwor, sich bei dem Dieb zu rächen, indem er diesen erschießen werde, wenn er ihm bekannt werden würde. Er unternahm jedoch keine Bemühungen, dessen Identität festzustellen. Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt gelangte es dem Angeklagten zu der Überzeugung, dass der Nebenkläger der Drogendieb war, und beschloss, diesen zu erschießen. Zum Zeitpunkt des Entschlusses und der Tatausführung litt der Angeklagte, infolge eines Schlaganfalls, unter einem hirnorganischen Psychosyndrom. Nach Maßgabe seines Tatplans begab...

Tankstellenbetrug und anschließender Überfall auf den Tankstellenmitarbeiter

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (5 StR 318/22) vom 08. November 2022 mit dem folgenden Sachverhalt auseinander: Nach den Feststellungen des Landgerichts Itzehoe fuhr der Angeklagte an einem Abend im Jahr 2019 gemeinsam mit den zwei gesondert Verfolgten an eine Autobahntankstelle. Sie hatten verabredet, den Pkw zu betanken, ohne den Kraftstoff zu bezahlen, und die Tankstelle unter Verwendung eines Messers zu überfallen. Der Angeklagte ließ die beiden gesondert Verfolgten im Bereich der Toiletten aussteigen. Danach fuhr er zu einer nur wenige Meter entfernten Zapfsäule und tankte um 20:00 Uhr für 56,24 €, wobei er den Kopf gesenkt...