Autor: Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht - Berlin-Kreuzberg

Ist der gemeinsame Angriff auf zwei Transportfahrer immer gleich eine gemeinschaftlich begangene Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB?

Gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Jüngst musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigen, ob eine gemeinschaftliche Körperverletzung vorlag. Der Entscheidung vom 31. Juli 2024 (2 StR 44/24) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der gesondert Verfolgte L hatte Informationen über eine Firma, die Warentransporte mit dem Schwerpunkt Schmuckwaren durchführte, erhalten. Er fasste den Entschluss, die Fahrer eines solchen Warentransporters beim Entladen des Transportfahrzeugs mit Schusswaffen zu überfallen, um die transportierten Schmuckteile und Edelmetalle zu entwenden und anschließend...

Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie im Internet: Bandenabrede durch Beitritt zu einem anonymen Forum?

Das Internet und insbesondere das Darknet bieten zahlreiche Möglichkeiten des anonymen Austauschs. Allerdings bleibt nicht alles, was dort geschieht, auch ohne strafrechtliche Konsequenzen. Viele Nutzer unterschätzen die rechtlichen Risiken, die mit der Teilnahme an bestimmten Foren verbunden sind. Besonders im Bereich der §§ 184b, 184c Strafgesetzbuch (StGB), die den Umgang mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten unter Strafe stellen, drohen erhebliche Konsequenzen. Während die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz solcher Dateien nach § 184b Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bzw. nach § 184c Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren...

Den eigenen Anwalt beleidigt? BVerfG hebt Urteil aufgrund „vollständigen Abwägungsausfalls“ der Strafgerichte auf

Beleidigungen können schnell ausgesprochen sein – sei es aus Wut, Frustration oder im Eifer des Gefechts. In einem solchen Fall droht dem Äußernden ein Strafverfahren und eine Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB). Es kann dann zu einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe kommen. Bei einer Beleidigung im Sinne des § 185 StGB handelt es sich um einen Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung. Allerdings erfüllt nicht jede Äußerung mit ehrverletzendem Charakter den Straftatbestand der Beleidigung. Es muss vielmehr grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden aus Art....

Heimtückemord durch Autoangriff trotz aufheulenden Motors?

Die Einstufung eines Tötungsdelikts als Mord im Sinne des § 211 Strafgesetzbuch (StGB) setzt insbesondere das Vorliegen bestimmter Mordmerkmale vor. Nachdem wir uns vor ein paar Wochen bereits dem Mordmerkmal der sonst niedrigen Beweggründen gewidmet haben, soll der Fokus des heutigen Beitrags auf einem Mordmerkmal liegen, das sowohl im Jura-Studium als auch in der Praxis immer wieder eine große Rolle spielt: Dem Mordmerkmal der sog. Heimtücke. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tötet heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des...

Kann die Beteiligung an einer Schlägerei straflos sein?

Es ist unumgänglich, sich in der juristischen Ausbildung mit dem Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 StGB zu befassen. Sie kann einem in strafrechtlichen Klausuren und in der Praxis immer wieder begegnen. Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung nach § 231 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) verursacht worden ist. Nach § 231 Abs. 2 StGB macht sich nicht strafbar,...

Urlaub des Verteidigers ignoriert – führt eine absprachewidrige Fristsetzung zur Befangenheit der Richterin?

Die Unparteilichkeit von Richtern ist ein fundamentaler Bestandteil unseres Rechtssystems. Um das Vertrauen in die Justiz zu wahren, sieht die deutsche Strafprozessordnung in § 24 StPO die Möglichkeit vor, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann dies erfolgen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Hat ein Richter an einem Urteil mitgewirkt, obwohl berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestanden, stellt dies einen absoluten Revisionsgrund dar (§ 338 Nr. 3 StPO) und führt in der Regel zur Aufhebung des Urteils. Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom...

Zum Tatbestandsmerkmal des Sichbemächtigens einer Person gemäß § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB in einer Zwei-Personen-Konstellation

Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2022 (3 StR 501/21) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Angeklagten und zwei Mittätern wurde mit der Anklageschrift zur Last gelegt, die beiden in ihrem Wohnhaus in verschiedenen Zimmern schlafenden Geschädigten zu überwältigen und unter Vorhalt von Waffen zu bedrohen, um auf diesem Wege Informationen über etwaige Verstecke von Geld und Wertsachen zu erhalten. In Umsetzung dieses Plans zerrten sie die Geschädigten nebeneinander auf ein Bett und ließen die Jalousie herunter. Anschließend befragten sie die unter Todesangst leidenden Geschädigten unter Vorhalt einer scharf geladenen Pistole und eines Messers über einen Zeitraum von etwa zwanzig...