Rattengift als Waffe: Mordfantasien eines Konzertmeisters
Rattengift als Tötungsmittel für jeden, der dem Angeklagten in die Quere kommt? Ob der Angeklagte Rattengift kaufte und dieses später einsetzte, um Personen töten zu wollen, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 71/24) in seinem Beschluss rund um diesen etwas skurrilen Sachverhalt entschieden.
Der Angeklagte, der Konzertmeister bei einem Sinfonieorchester war, wurde vom Generalmusikdirektor und dem zweiten Konzertmeister zunehmend gemobbt. Das führte zu psychischen Problemen und letztendlich zu dem Beschluss, die Stelle als ersten Konzertmeister aufzugeben und eine andere Position im Orchester einzunehmen. Der zweite Konzertmeister nahm die Stelle des Angeklagten ein, was zu Hassgefühlen und Tötungsphantasien beim Angeklagten führte. Daraufhin kaufte er im Ausland ein Rattengift, welches bei einer Menge von 56 mg bereits potenziell tödlich sein kann. Aus nicht bekannten Gründen sah er jedoch von der Tötung des Konzertmeisters ab.
Stattdessen mischte er seiner Mutter ein paar Jahre später bei einem Besuch in der Senioreneinrichtung das Rattengift unter ihre Lebensmittel. Ein paar Tage später kam es bei ihr zu lebensgefährlichen Blutungen. Durch eine mehrmonatige Behandlung mit Vitamin K konnte diese jedoch gerettet werden.
Bei einer Busfahrt im Zuge eines Orchesterauftritts gab er außerdem zwei seiner Kollegen einen Frischkäse, in den er das Rattengift untergemischt hatte. Auch diese konnten durch die Behandlung mit Vitamin K gerettet werden.
Im Fall seiner Mutter nahm das Landgericht Hannover einen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung an. Wegen der Untermischung des Gifts bei seinen Kollegen verurteilte das Landgericht den Angeklagten lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung. Dabei führte es an, dass der Angeklagte aufgrund der vergleichsweise guten körperlichen Fitness seiner Kollegen darauf vertraut haben soll, dass sich die Gefahr nicht realisieren werde. Auch soll er nun von der Behandlung mit Vitamin K gewusst haben und davon ausgegangen sein, dass auch seine Kollegen damit behandelt werden würden.
Der Bundesgerichtshof erwidert dem jedoch, dass es für diese Annahmen keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben hat. Die Beweiserwägungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten erweisen sich in mehreren Punkten vielmehr als lückenhaft. So hat das Landgericht unter anderem keine Feststellungen zu dem Gesundheitszustand und der angeblich guten körperlichen Fitness des Geschädigten getroffen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg