Der Missbrauch von § 154 StPO

Nach § 154 StPO kann ein Ermittlungsverfahren eingestellt werden, wenn die zu erwartende Strafe in Bezug auf die aufgrund einer anderen Tat zu verhängenden Strafe oder bereits verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde.

Dieser Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie wird durch die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig missbraucht. Immer dann wenn ein Freispruch erfolgen müsste, nutzen Strafverfolgungsbehörden gerne dieses Notausgang.

In einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin wurde meinem Mandanten vorgeworfen, zwei Spielhallen überfallen zu haben. Hierbei soll mein Mandant einmal eine Pistole und einmal ein großes Küchenmesser als Drohmittel verwendet haben. Es sollen Geldbeträge von mehreren Tausend Euro erbeutet worden sein. Klassischer Fall eines schweren Raubes, der eine Mindeststrafe von drei bzw. fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Ein Angestellter hatte später unseren Mandanten als vermeintlichen Täter wiedererkannt.

In der Verhandlung konnte ich etwaige Beweismittel wie Videoaufzeichnungen und Zeugenaussagen entkräften. Eigentlich ein klarer Fall für einen Freispruch. Doch der Staatsanwalt fand in seiner Akte dann noch einen beschlagnahmten Zahnstocher, der einem Täter gehört haben könnte. Auf diesen stürzte sich der Staatsanwalt und beantragte eine DNA-Auswertung. Als auch diese dann nach mehreren Monaten nicht die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Ergebnisse lieferte, dachte ich, dass nun der Freispruch erfolgen müsste. Die Rechnung hatte ich aber ohne § 154 StPO gemacht. Das Gericht stellte einfach das Verfahren nach dieser Norm ein, mit der Folge, dass mein Mandant z.B. auf seinen außergerichtlichen Kosten sitzen bleibt.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin

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13 Antworten

  1. Berlin sagt:

    Danke das ich die Frage stellen darf.

    Vorab: Person A wurde der Führerschein 2009 entzogen,weil kein Aufbausseminar absolviert wurde,bis heute.

    2013 wurde Person A vogeworfen mit Cannabis zu handeln, A wurde wegen 3 gramm zu 800. Euro verurteilt. ( Führerscheinstelle Meldung )

    2014 wurde A mit Subutex in pulver erwischt und sagte der Polizei das es sich um Aspirin handelt.
    Wochen später kam die Vorladung der Polizei unter „Btmg Sonstige “ .A ging nicht hin und wochen später kam die Einstellung § 154 abs.1 Nr.1 ( Keine meldung an Führerscheinstelle )

    Person A ist sich nicht sicher ,ob die Substanz ermittelt wurde.

    Person A ,ahnt das die Substanz ermittelt wurde,da es mit §154 eingestellt wurde ?

    Wäre die Substanz Subutex nicht ermittelt worden,wäre doch mit §170 eingestellt worden ?

    Sollte Person A Akteneinsicht durch ein Anwalt einholen ?

    Mfg

  2. Gern! Für die nichtöffentliche Klärung von (Straf-)Rechtsproblemen steht daneben auch die Strafrechtskanzlei Dietrich (Kontaktdaten oben rechts) zur Verfügung.

  3. Berlin sagt:

    Hallo, kann ich bitte eine Frage stellen ?

  4. @ RA Martin
    Wer die Macht hat …

  5. RA Martin sagt:

    Ich habe gerade ein ähnliches Verfahren geführt und bereits mehrfach die Erfahrung mit dem Missbrauch des § 154 StPO gemacht. Meinem Mandanten wurde die Einfuhr von BTM vorgeworfen. Bei der Kontrolle wurde es etwas aggressiv und er beleidigte einen der Beamten. Wegen Beleidigung wurde Strafbefehl erlassen und von dem Mandanten die Strafe bezahlt. Die Einfuhr gelangte zur Verhandlung. Trotz 4 Verhandlungstagen mit ständig neuen Lügen von Polizei- und Zollbeamten (jeder andere Zeuge würde sicher wegen falscher uneidlicher Aussage verfolgt. Der Beamte muss seine Lüge aber nur im nächsten Termin berichtigen) konnte das Gericht dem „logischen“ Schluss der Beamten dass derjenige, der sich einer Kontrolle nicht brav unterzieht auch der Täter von mehreren möglichen ist, nicht folgen. Es war offensichtlich, dass hier freizusprechen war. Aber wie immer: Einstellung nach § 154 StPO. Kosten die Staatskasse, notwendige Auslagen der Angeklagte. Klarer Missbrauch und ohne Folgen.
    Meiner Meinung nach liegt dieses Verhalten einfach daran, dass viele (sehr viele) Richter moralische Defizite haben. Sie wissen gar nicht was sie den Menschen antun. Und sie kennen ihren eigenen Beruf nicht. Eine Entscheidung ist dann gerecht, wenn sie rechtlich zutreffend hergeleitet wurde und zudem (objektiv) als gerecht empfunden wird. Den zweiten Halbsatz kennen viele Richter nicht mehr. Aber Moral ist leider kein Einstellungskriterium bei der Bewerbung im Justizdienst. Die Frage bleibt: Wie erhalten wir moralisch befähigte Richter?

  6. Pat sagt:

    Hatte heute einen Fall von Fahren ohne vorm AG. Strafbefehl, Einspruch. Ermittlungsakten gehen eindeutig von Datum X aus. Strefbefehl war Datum x+1 Jahr.
    In der Hauptverhandlung sagt der Mandant er ist am Tag X+1Jahr nicht gefahren.
    RiAG und StAin meinen offensichtlicher Schreibfehler schadet nicht. Ich interveniere heftig und stelle mich auf den Standpunkt, dass die prozesuale Tat durch den Strafbefehl vorgeben wird und nicht geändert werden kann. Nur eine Nachtragsanklage zu der wir jedoch nicht zustimmen.
    Gericht unterbricht und kommt nach langer Pause zurück und gibt mir Recht, weil der BGH dies ebenfalls so sieht.
    RiAG will dann wegen Verfahrenshindernis (falsches Datum) einstellen. Ich sage es ist kein Verfahrenshindernis, es ist ein Fehler begangen wurden und jetzt muss freigesprochen werden. Gericht und StA stellen nach §154 StPO ein, Kosten beim Staat, notwendige Auslagen Mandant selbst.
    Für mich ein krasser Mißbrauch, da die Voraussetzung von §154 StPO nicht vorliegen, da quasi die Unschuld erwiesen ist im Sinne des Strafbefehls.
    Mich würden Meinung interessieren..
    Ich erwäge eine Verfassungsbeschwerde….

  7. Debe sagt:

    Gut, die Kosten sind sicher für jemanden, der aufgrund seiner Lebenssituation kriminell wurde (gemeint ist hier der andere, „schwerere“ Vorfall), ein wichtiger Aspekt.

    Ich finde aber, man sollte auch nicht ausser acht lassen, dass der angeklagte Bürger so moralisch nicht freikommt. Der Vorwurf bleibt ja gefühlt im Raum stehen – auch wenn er nachgewiesenermassen unberechtigt ist. Meiner Meinung nach ist hier ein formaler Freispruch zum einen möglich, zum anderen nötig, um dem abzuhelfen.

    Gerade weil man als Bürger gelegentlich das Gefühl hat, gar nicht ohne Verstösse gegen das Gesetz(*) durch den Alltag zu kommen, sollte das hier nicht befördert werden.

    *: Geschwindigkeitsübertretungen, „schwarze“ Trinkgelder oder Nachhilfelehrer, kreative Buchführung, nicht ganz der StVO entsprechende Fahrräder, Wort- und Gestenaustausch mit dem renitenten Rentner von nebenan… 🙂

  8. @OG Selbst wenn die sehr engen Voraussetzungen einer Überprüfung vorliegen würden, müsste zunächst der Mandant dieses Verfahren vorfinanzieren. Wenn man dann einem Mandanten mitteilt, dass er vielleicht in drei Jahren eine Entscheidung bekommt, ist dieser in der Regel hierzu nicht bereit.

  9. OG sagt:

    In krassen Fällen – wie hier einer vorliegen könnte – verspricht die Verfassungsbeschwerde Erfolg: http://dejure.org/2007,14209 (zum BVerfG oder – besser noch – zum BerlVerfGH).

  10. Tatsächlich wurde auch dieses Verhältnis nicht eingehalten, da es sich bei der tatsächlich verurteilten Straftat um einen Diebstahl gehandelt hat.

  11. asta sagt:

    Ein Hinweis auf das in § 467 StPO enthaltene Regel-Ausnahme-Verhältnis dürfte ggf. vielversprechender sein…

  12. Leider nicht wirklich. Rechtsmittel gegen die Einstellungsentscheidung gibt es nicht. Wenn das Gericht versucht, die Einstellung in einer Hauptverhandlung vorzunehmen, kann man manchmal noch an das das richterliche Gewissen appellieren.

  13. Friedrich Newel sagt:

    Kann gegen diese Form der Justiz-Willkür juristisch nicht vorgegangen werden?

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