Akten und Unterlagen immer wieder zurück an den Berechtigten!

Auch Rechtsanwälte nicht sind davor gefeit, in den Verdacht zu geraten, Straftaten zu begehen.
In seiner Entscheidung vom 15.07.10 – 4 Str 164/10 – musste der Bundesgerichtshof entscheiden, ob eine Unterschlagung vorliegt, 1. wenn eine Rechtsanwältin Unterlagen ihres Mandanten nicht wieder an diesen herausgibt und 2. ein Rechtsanwalt die Ermittlungsakte nicht wieder zurück an die Staatsanwaltschaft schickt. Da der BGH im Gegensatz zum Landgericht Bochum in diesen Verhaltensweisen keine Unterschlagung gesehen hat, machte er sich Gedanken, welche Strafbarkeit dieses für ihn verwerfliche Verhalten auslösen könnte.

Hierzu im Einzelnen:

Strafbarkeit wegen Unterschlagung
Begeht ein Rechtsanwalt eine Unterschlagung gem. § 246 StGB, wenn Unterlagen des Mandanten, um diesen zu ärgern, diesem nicht wieder ausgehändigt werden? Oder begeht ein Rechtsanwalt eine Unterschlagung, der – nach seinen Angaben – versehentlich die Rückgabefrist nicht eingehalten hat und nun aus Schamgefühl die Akte nicht wieder zurücksendet.

Voraussetzung für eine Unterschlagung ist die Zueignung.

Diese liegt vor, wenn der Täter die Sache mit Ausschlusswirkung gegenüber dem Eigentümer seinem eigenen Vermögen oder dem Vermögen eines Dritten in der Weise zuführt, dass er selbst oder der Dritte Scheineigentümer wird. Es muss hierfür eine nach außen erkennbare Manifestation des Zueignungswillen vorliegen.

Nach der überwiegenden Rechtsprechung ist zur Begründung des Zueignungswillens auf objektive und subjektive Aspekte abzustellen. Eine Zueignung ist gegeben, wenn ein objektiver Beobachter bei Kenntnis der Täterabsicht die Handlung als Betätigung des Zueignungswillen ansieht.

Nach Auffassung des BGH liegt deshalb eine Manifestation des Zueignungswillens nicht vor, wenn der Beschuldigte es lediglich unterlassen hat, eine Sache zurückzugeben. Dies gilt besonders, wenn es dem Täter nicht darum geht, sich als Scheineigentümer der Sache darzustellen, er vielmehr lediglich seinen Mandanten ärgern will.

Zunächst Glück für die Rechtsanwälte, sie haben sich nicht wegen Unterschlagung strafbar gemacht.

Der BGH belässt es aber an dieser Stelle nicht bei seinen Ausführungen. Vielmehr macht er sich Gedanken, worüber das Landgericht im zweiten Durchlauf nachdenken sollte.

Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung
Zunächst stellen Mandatenunterlagen und die Ermittlungsakte Urkunden dar, die durch den jeweiligen Rechtsanwalt nicht wieder herausgegeben werden sollten. Deshalb könnte eine Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.

Die Unterlagen und die Ermittlungsakte gehören nicht dem jeweiligen Rechtsanwalt, da sie an diesen Sachen nicht das alleinige Verfügungsrecht haben.

Die Verweigerung der Herausgabe stellt ein Unterdrücken im Sinne von § 274 StGB dar.

In subjektiver Hinsicht müsste weiterhin eine Nachteilszufügungsabsicht bestanden haben. Diese liegt vor, wenn die Rechtsanwälte das Bewusstsein hatten, dass der Nachteil die notwendige Folge des Unterdrückens sein wird.

Die Rechtsanwältin wollte ihren ehemaligen Mandanten „ärgern“. Wenn in diesem Ärgern gleichzeitig ein Nachteil für den Mandanten zu sehen ist, liegt eine Nachteilszufügungsabsicht vor. Hier sollte man als Verteidiger der Rechtsanwältin an einer sorgfältigen Einlassung arbeiten.

Problematisch ist die Nachteilszufügungsabsicht in Bezug auf den Rechtsanwalt, der die Ermittlungsakte nicht wieder zurückgesandt hat. Nach Auffassung des BGH wird der staatliche Strafanspruch nicht von § 274 StGB geschützt. Um möglicherweise doch zu einer Strafbarkeit zu kommen, hilft dem BGH die genaue Lektüre von § 274 StGB. Dieser verlangt nur, dass einem anderen ein Nachteil zugefügt werden soll. Eigentümer der Urkunde und potentieller Geschädigter müssen deshalb nicht übereinstimmen. Hiernach könnte man nach Auffassung des BGH als Geschädigen auch den Anzeigenerstatter nehmen. Welcher konkrete Nachteil dem Geschädigten aber entstehen hätte können, führt der BGH in seinem Beschluss nicht aus. Es bleibt abzuwarten, ob das Landgericht einen solchen Nachteil konstruieren wird.

Strafbarkeit wegen Verwahrbruch gem. § 133 StGB
In Betracht kommt ebenfalls eine Strafbarkeit wegen Verwahrbruch gem. § 133 StGB.
Die dem Rechtsanwalt überlassene Ermittlungsakte wurde ihm durch die Gewährung von Akteneinsicht dienstlich in Verwahrung gegeben. Da er die Akte nicht wieder zurückgesandt hat, wurde die Akte der dienstlichen Verfügung entzogen.

Strafbarkeit wegen Strafvereitlung gem. § 258 StGB
Der BGH scheint der Einlassung der Rechtsanwaltes nicht so recht zu glauben, er habe die Akte nicht zurückgesandt, weil ihm die Überschreitung der Rückgabefrist unangenehm war. Deshalb schlägt er auch auch vor, dass man eine versuchte Strafvereitlung prüfen müsste. Immerhin geht der BGH nur von einer versuchten Strafvereitlung aus. Zu berücksichtigen hierbei ist, dass bereits auch eine zeitliche Verzögerung eine vollendete Vereitlung darstellen kann. Anscheinend ist die Staatsanwaltschaft zeitnah beim Rechtsanwalt fündig geworden, so dass eine Verzögerung auf geraume Zeit nicht vorliegt.

Meines Erachtens ist diese Entscheidung für den Praktiker und für die Ausbildung gleichermaßen interessant. Auch wenn sie sehr kurz ausgefallen ist, lassen sich doch typische Probleme im Alltag eines Rechtsanwaltes und typische Konstellationen in einer Klausur an ihr rekapitulieren.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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