Abgebrochene und fortwirkende Kausalität im „Scheunenmord-Fall“

Die Aufhebung des Urteils im „Scheunenmord-Fall“ durch den Bundesgerichtshof (BGH) war vielfach Gegenstand der Berichterstattung. Das mag an dem durchaus grausigen Geschehen liegen, das sich im Außenbereich von Büren nach Feststellungen des Landgerichts Paderborn wie folgt zugetragen hat: Der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte schlug seinen zwei Jahre jüngeren Freund unvermittelt mehrfach von hinten mit einer Metallstange auf den Kopf, wodurch dieser derart verletzt wurde, dass er aufgrund der Schläge alsbald verstorben wäre. Der Angeklagte, der bereits davon ausging, seinen Freund getötet zu haben, verließ zunächst den Tatort. In der Absicht, die Polizei anzurufen und dieser vorzutäuschen, seinen Freund gerade tot aufgefunden zu haben, kehrte er an den Tatort zurück. Als er jedoch feststellen musste, dass sein Freund noch lebte, trennte er diesem mit einem Messer die Kehle durch, woraufhin das Opfer verstarb.

Das Landgericht Paderborn hat den Angeklagten aufgrund dieses Geschehens wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Damit hat es das Geschehen in einen Teil vor und einen Teil nach dem Verlassen des Tatorts aufgeteilt und die Teile jeweils einzeln bewertet. Betrachtet man das Geschehen so, dass sich in den Schlägen mit der Metallstange nicht der konkrete Todeserfolg verwirklicht hat, so ist diese Verurteilung nur folgerichtig.

Anders beurteilt es aber der Bundesgerichtshof (BGH), der hier einen vollendeten Heimtückemord annimmt, weil der Angeklagte bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers gesetzt hat und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war. Um das genauer zu erklären, hat der BGH einige grundlegende Ausführungen zur Kausalität gemacht.

Der BGH führt in seinem Urteil zum „Scheunenmord-Fall“ vom 03.12.2015 – 4 StR 223/15 erneut aus, dass für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs jede Bedingung ursächlich ist, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei sei gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben.

Der Kausalzusammenhang müsse nur dann verneint werden, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitige und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeiführe. Diese Konstellation, in der der Erfolg durch ein von der Ersthandlung völlig unabhängiges Zweitverhalten unterbrochen wird, wird in der juristischen Lehre als abgebrochene oder überholende Kausalität bezeichnet. Hier führt das Zweitereignis den Erfolg ganz allein herbei.

Wie der BGH in seinem Urteil ausführt, schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns für den Erfolg hingegen nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. In diesem Fall spricht die Lehre von der fortwirkenden Kausalität. Bei der fortwirkenden Kausalität wirkt die früher gesetzte Bedingung bis zum Erfolgseintritt fort. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten oder des Täters selbst handelt ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des BGH ohne Bedeutung. Der BGH ist in dem Scheunenmord-Fall von einer fortwirkenden Kausalität ausgegangen, da die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich waren. Der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre nach Ansicht des BGH ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Anwalt für Strafrecht in Berlin

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