Zweierlei Maß – Fahrerflucht durch Polizeibeamte

Ich hatte gestern auf dem Weg zur Kirchstraße eine Richterin des Amtsgerichts Tiergarten getroffen. Diese berichtete mir, dass ihr ein Polizeibeamter bei der Ausfahrt vom Gerichtsgelände in den Wagen gefahren sei. Obwohl sie hupte und ein uniformierter Justizmitarbeiter winkte, fuhr der Polizeibeamte mit seinem Dienstwagen davon. Die Richterin erstatte Strafanzeige wegen Fahrerflucht. Einige Zeit später meldete sich die Polizei und teilte mit, dass man gegen den Beamten lediglich ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten würde.
Jeder Normalbürger hätte in dieser Situation mit einem Strafverfahren wegen einer Unfallflucht zu rechnen. Bei Polizeibeamten hilft man sich aber gerne aus.

Immerhin meinte die Richterin, dass ihr Vertrauen in die Integrität von Polizeibeamten ein wenig erschüttert sei. Sie bat mich aber, dies bei einer zukünftigen Verhandlung nicht gegen sie zu verwenden. Dies musste ich versprechen.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht, Berlin-Kreuzberg

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6 Antworten

  1. Grundsätzlich ist es richtig – wenn alles ordnungsgemäß abläuft. Wenn die Polizei die Akte aber nicht der Staatsanwaltschaft vorlegt, wird die Staatsanwaltschaft nichts erfahren. Die Owi ist dann der ursprüngliche Unfall und die Fahrerflucht wird nicht weiter verfolgt.@SoWhy

  2. SoWhy sagt:

    @Steffen Dietrich
    Wenn die Richterin Anzeige erstattet, dann muss die Staatsanwaltschaft nach § 152 II StPO ermitteln. Die Polizei sind nach §§ 163 f. StPO nur Ermittlungsbeamte der StA und können selbst gar nicht entscheiden, wie eine Tat verfolgt bzw. erledigt werden soll. Abgesehen davon ist Unfallflucht nach § 142 StGB eine Straftat und kann daher gem. § 21 OwiG gar nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

    @Debe
    Die Staatsanwaltschaft muss entscheiden, welches Verfahren sie anstrengt (§§ 152 ff. StPO). Kann eine Tat sowohl Straftat als auch Owi sein, so ist sie als Straftat zu verfolgen (§ 21 I OwiG) – nur wenn keine Bestrafung erfolgt, kann sie als Owi geahndet werden (§ 21 II OwiG).

  3. Tobias M. sagt:

    In Sachsen wird sogar unterlassene Hilfeleistung vertuscht

  4. Debe sagt:

    @Steffen Dietrich
    Wäre es dann nicht (ohne Ausnutzung irgendwelcher Amtsprivilegien) der Dame möglich, den Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft heranzutragen?

    Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Auseinandersetzungen mit Polizisten (und noch schlimmer Leuten, die sich für Polizisten halten) in den höheren Etagen sehr wirksam eingedämmt werden können und man dort als Zivilist manchmal nur noch mit Dienstaufsichtsbeschwerden mehr als ein feistes Grinsen bekommt. Wenn eine Richterin die Maschinerie aber nicht kennt, wer dann?

  5. rechtlich verbindlich das Gericht. Damit das Gericht aber über den Sachverhalt befinden kann, muss es Kenntnis vom Sachverhalt haben. Legt die Polizei die Angelegenheit nicht der Staatsanwaltschaft vor, wird das Gericht nicht über den Sachverhalt befinden können. In dieser Situation gilt dann wohl wieder: Wo kein Kläger (hier Ankläger in Form der Staatsanwaltschaft)da kein Richter.

  6. Debe sagt:

    Wer entscheidet denn da, ob Straf- oder Owi-Verfahren folgen, und woher kommt der Spielraum?

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