Strafrecht für Erstsemester vom BGH: Wann liegt eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung vor?

Es gibt Fälle, die uns doch sehr an die ersten Übungen in der Uni im Strafrecht erinnern. Und obwohl es eigentlich um Basics geht, machen selbst Amts- oder Landgerichte sie immer mal wieder falsch. Ein schönes Beispiel dafür ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Februar 2016 – 4 StR 550/15, in der es unter anderem um die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung ging.

Vereinfacht dargestellt spielte sich folgendes Geschehen ab: Der Angeklagte und seine beiden Komplizen klingelten bei den Geschädigten. Der Geschädigte öffnete die Tür und wurde von einem der Komplizen unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Der andere Komplize begab sich, während der Geschädigte mit einem Elektroschocker bedroht wurde, in das Badezimmer der Wohnung zu der geschädigten Frau, zog sie mit einem Griff in den Nacken zu Boden und zwang sie mit einer ihr gegen die Schläfe gedrückten und geladenen Gaspistole dazu, den Kopf nach unten zu halten. Der dritte Täter durchsuchte in dieser Zeit die Wohnung nach Bargeld und Drogen und fand zwei Handys und 45 Euro, die er an sich nahm. Das Trio flüchtete erst, als es dem Geschädigten gelang, sich loszureißen und laut nach Hilfe zu rufen. Die Geschädigte erlitt psychische Beeinträchtigungen und Schmerzen im Nacken sowie im Gesicht.

Das Landgericht Paderborn verurteilte den Angeklagten aufgrund dieses Geschehens unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten, weil es von einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung ausging.

Wer den Sachverhalt anhand der Definition des Begriffs „gemeinschaftlich“ sauber prüft, müsste allerdings, wie der BGH in seinem Beschluss, die gefährliche Körperverletzung verneinen.

Doch was versteckt sich hinter dem Merkmal gemeinschaftlich? Wer unsere Definitionsreihe fleißig verfolgt hat, dürfte die Definition der gemeinschaftliche Begehungsweise und ihre Voraussetzungen noch kennen. Eine gemeinschaftliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB liegt vor, wenn mindestens zwei Personen am Tatort zusammenwirken und dem Verletzten unmittelbar gegenüberstehen. Erforderlich ist dabei, dass der Gehilfe die Körperverletzung bewusst verstärkt und sich die Gefahr für das Opfer durch die Einschränkung von Flucht- Verteidigungsmöglichkeiten erhöht hat. Der Tatbestand ist hingegen nicht erfüllt, wenn mehrere Beteiligte jeweils verschiedene Opfer verletzen.

In dem hier beschriebenen Fall liegt nach diesen Grundsätzen keine gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor. Vielmehr führt der BGH zutreffend aus, dass ein unterstützendes Zusammenwirken bei dem Festhalten der Geschädigten im Badezimmer nicht stattgefunden habe. Soll aber eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgen, so müsse festgestellt werden, dass das Opfer durch das Zusammenwirken mehrerer in seiner Chance beeinträchtigt werde, dem Verletzenden Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin

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Eine Antwort

  1. 12. Juni 2016

    […] und dann war da noch:  Strafrecht für Erstsemester vom BGH: Wann liegt eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körpe… […]

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