Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin

Die Sicherungsverwahrung im Sinne von §§ 66 ff. StGB galt als eine der schwersten und umstrittensten Rechtseingriffe der deutschen Rechtsordnung.

Es handelt sich gemäß § 61 StGB um eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie wird neben einer Freiheitsstrafe, die stets zuerst verbüßt wird, angeordnet. Im Gegensatz zu der normalen Straftat knüpft sie lediglich an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Allgemeinheit an. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung muss auf eine besonders schwere Straftat (sog. Anlasstat) zurückzuführen sein.

„Wegschliessen- und zwar für immer!“ forderte 2001 der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder für Sexualstraftäter. Die Sicherungsverwahrung ist seitdem nicht nur Gegenstand kriminalpolitischer Fragen im juristischen bzw. politischen Milieu, sondern genießt auch eine immer steigernde Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wurde sie kürzlich grundlegend reformiert.

Im folgenden Beitrag wird zum Einen das bisherige Institut der Sicherungsverwahrung in Deutschland erläutert. Zum Anderen wird auf das Urteil des EGMR und dessen Auswirkungen näher eingegangen. Schließlich wird die neueste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2011 ausgewertet.

Die Sicherungsverwahrung wurde bislang in drei Grundvarianten untergliedert: Die klassische Form der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB), die vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 66 a StGB) und die nachträgliche Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB).

Die klassische Form der Sicherungsverwahrung

Die klassische Form der Sicherungsverwahrung konnte entweder obligatorisch oder fakultativ angeordnet werden.

Gemäß § 66 Abs.1 StGB wurde die Sicherungsverwahrung für gefährliche Wiederholungstäter, die trotz Vorverurteilungen und bereits erlittenen Freiheitsentzugs schwerwiegend rückfällig geworden sind, obligatorisch angeordnet.

Voraussetzung einer solchen Anordnung war zunächst gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB, dass der Täter wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird. Zudem musste er gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen zuvor begangener vorsätzlicher Straftaten mindestens zweimal zu einer Freiheitsstrafe von jeweils einem Jahr verurteilt worden sein. Des Weiteren wurde erfordert, dass der Täter wegen einer oder mehrerer Vortaten eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel befunden hat.

Materiell musste gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ferner ein Hang des Täters zu erheblichen Straftaten festgestellt und eine Gefährlichkeitsprognose erstellt werden.

Laut der Rechtsprechung sei „der Hangtäter derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet.“ Als Beurteilungsstütze konnten die kriminelle Entwicklung des Täters, die Gleichartigkeit seiner Taten, seine Sozialisation, Charakterstruktur und Sozialverhalten herangezogen werden.

Die Gefährlichkeitsprognose war hingegen die im Urteilszeitpunkt bestehende ernsthafte Erwartung, dass der Täter in der Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Eine rechtliche Gesamtbewertung der Persönlichkeit des Täters wurde vorgenommen.

Bei § 66 Abs. 2 StGB handelte es sich um eine Ausnahmeregelung, die unter geringeren Anforderungen als § 66 Abs. 1 StGB die fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung zuließ. Davon erfasst werden sollten die gefährlichen Serientäter, denen es bislang gelungen ist, sich einer Bestrafung zu entziehen. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung wurde in das pflichtgemäße Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt. Erforderlich war, dass der Täter wegen mindestens drei vorsätzlich begangener Straftaten verurteilt wurde, dass er für jede seiner Taten Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt haben sollte und dass er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Materiell galten auch hier die Voraussetzung des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

In § 66 Abs. 3 StGB befanden sich zwei weitere Möglichkeiten, die Sicherungsverwahrung fakultativ anzuordnen.

Voraussetzung für eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB war, dass der Täter wegen einer der genannten Katalogtaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde. Davon umfasst wurden alle Verbrechen sowie zahlreiche Vergehen, bei denen es sich überwiegend um jeweils vorsätzlich zu verwirklichende Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit handelte. Überdies war es erforderlich, dass der Täter wegen einer oder mehreren Katalogtaten, die er vor der Anlasstat begangen hatte, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Schließlich musste er bereits einen Freiheitsentzug von mindestens zwei Jahren erlitten haben.

§ 66 Abs. 3 S. 2 StGB ermöglichte die Anordnung der Sicherungsverwahrung bereits bei der erstmaligen Verurteilung des Täters wegen zwei Katalogtaten, wenn er dadurch jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hatte und wegen einer oder mehrerer Katalogtaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde.

Der Beitrag wird fortgesetzt.

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Eine Antwort

  1. Matthias K. sagt:

    Sehr hübsch(er Artikel)!

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