Haftbefehl gem. § 230 StPO bei ehemaligem Inhaftierten?

Ich habe einen Mandanten, der immer wieder schwarzfährt und kleine Diebstähle begeht. Über einen festen Wohnsitz verfügt er auch nicht immer. Zu Hauptverhandlungen kommt er regelmäßig nicht freiwillig.

In einem Verfahren wegen Diebstahls bei Schlecker saßen vor ein paar Monaten dann wieder einmal der Richter, der Amtsanwalt und ich alleine im Gerichtssaal. Mein Mandant fehlte. Es war wieder einmal unklar, ob er unter seiner alten Adresse wirksam geladen worden ist. Deshalb wollte damals der Richter keinen Haftbefehl gem. § 230 StPO erlassen.

Der Amtsanwalt beantragte dann aber den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 StPO wegen Fluchtgefahr. Auch diesen wollte das Gericht mangels sicherer Ladung nicht erlassen, da nicht bekannt war, ob mein Mandant tatsächlich flüchtig sei oder nur einfach vom Termin nichts wusste.

Darüber hinaus schloss sich das Gericht meinen Ausführungen an, dass der Erlass eines Haftbefehls wegen Fluchtgefahr nicht verhältnismäßig sei (siehe § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO und § 113 Abs. 2 StPO). Es ging ja nur um Waren im Werte von 20,00 €.

Als ich dann noch meinte, dass sowieso ein Vollstreckungshaftbefehl draußen sei, da mein Mandant wie immer die letzte Geldstrafe noch nicht bezahlt hatte und diese dann gem. § 43 StGB in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt worden ist, war auch der Amtsanwalt zufrieden.

Wir einigten uns darauf, dass wir das Verfahren weiter führen würden, sobald mein Mandant in dem anderen Verfahren ergriffen werden würde.

Wie immer dauerte es nicht lange und mein Mandant rief mich aus der JVA Moabit an. Kurz danach rief mich dann auch der Richter freudig an und meinte, dass wir ja nun das Verfahren abschließen könnten. Damit nicht wieder mein Mandant abhanden kommt, wurde der Termin auf die letzte Woche der Ersatzfreiheitsstrafe gelegt.

Gelegentlich hat mein Mandant dann aber auch Geld und so zahlte er drei Tage vor der Hauptverhandlung den noch offenen Betrag der Geldstrafe, so dass eine weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459 e Abs. 4 StPO unterblieb.

Im Termin saßen dann wieder der Richter, der Amtsanwalt und ich. Gefehlt hat wieder nur mein Mandant.

Nun war der Richter nicht mehr so freundlich, was ich irgendwie auch nachvollziehen kann. Deshalb wollte er auch diesmal einen Haftbefehl gem. § 230 StPO erlassen, da mein Mandant in der Haft ordnungsgemäß geladen wurde.

Hier musste ich ihn dann aber auf § 216 Abs. 2 StPO verweisen.

Ordnungsgemäß wurde zwar mein Mandant geladen, doch fehlte bei einer Ladung eines nicht auf freien Fuß befindlichen Angeklagten die notwendige Belehrung gem. § 216 Abs. 1 StPO. Mangels Warnung darf ein Haftbefehl nicht auf § 230 StPO gestützt werden. Vielmehr hätte die Belehrung bei der Entlassung meines Mandanten aus der JVA nachgeholt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt. Deshalb wäre der Erlass des Haftbefehls rechtswidrig gewesen.  Klingt komisch, steht aber so im Gesetz.

Zum Glück war der Richter darüber so verdutzt, dass er nicht mehr an die Fluchtgefahr dachte. Vielmehr wurde nur ein Suchvermerk eingetragen und wir warten nun, bis mich mein Mandant mal wieder aus der JVA anruft.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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2 Antworten

  1. wie ja bereits dargelegt, hat er manchmal ja Geld. Darüber hinaus gibt es die Pflichtverteidigung auch, wenn der Mandant bereits drei Monate in Haft war. Ab Januar 2010 bereits ab dem ersten Tag von Untersuchungshaft. Nimmt ein Mandant auch Drogen, kann man auch wegen Schwierigkeit der Rechtslage und der Notwendigkeit eine Gutachtens bzgl. der Schuldfähigkeit Pfíchtverteider werden.

  2. morphium sagt:

    Wie kann sich einer, der wegen einem zweistelligen Eurobetrag in Haft geht, einen Strafverteidiger leisten?

    Beigeordnet wirst du ja nicht sein…?

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