Fahrender Richter

Etwas, was mir noch nie passiert ist – ein fahrender Richter.

Meinem Mandanten wird vorgeworfen, über bayerische Straßen zu schnell gefahren zu sein. Beweismittel: ein Foto. Mein Mandant bestreitet, gefahren zu sein. Deshalb hatte ich für meinen Mandanten eine Einlassung im Bußgeldverfahren abgegeben. In dieser bestritt ich, dass mein Mandant gefahren sei. Weiterhin berief ich mich auf die neuere Rechtsprechung einiger Amtsgerichte. Einige Amtsgerichte gehen zutreffend davon aus, dass ein Foto bei Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht verwertbar sei, da es an einer speziellen Ermächtigungsgrundlage für das Foto fehle.

Gestern rief mich zu meinem Erstaunen der zuständige Richter an. Zunächst teilte er mir mit, dass er von der neuen Rechtsprechung nichts halte und deshalb das Foto verwertbar sei. Dann kam aber die Überraschung. Er finde es nicht angebracht, dass ich, mein Mandant und Zeugen nach Bayern reisen müssten, wenn unter Umständen mein Mandant nicht gefahren sei. Dieser Aufwand sei nicht zu rechtfertigen. Deshalb schlug er vor, dass er doch nach Berlin kommen könnte. Wir würden uns dann alle an einem Samstag oder Sonntag bei mir in der Kanzlei treffen und uns die „Angelegenheit“ anschauen.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich über dieses Angebot ein wenig überrascht war. Da ich aber auch kein Lust habe, nach Bayern zu reisen, habe ich den Vorschlag dankend angenommen.

Nun warte ich gespannt auf die Ladung für den Termin in meiner Kanzlei. Vielleicht werde ich auch einmal nachschlagen, aus welchem Paragrafen sich die Reisemöglichkeit des Gerichtshofes ergibt.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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11 Antworten

  1. Irgend ne Ahnung wie sehr das verallgemeinerbar ist?

  2. Ich suche dann jemanden, der Freitag an der Gerichtstafel nachschaut.

  3. H.W. sagt:

    Aushang nicht vergessen, die Verhandlung ist öffentlich.

  4. Dr. Tarig Elobied sagt:

    @Steffen:
    1.§ 166 GVG zum Gerichtsort.
    2. Robe?! Ist ja in Berlin nicht mehr Pflicht und die RAK Berlin verfolgt derzeit keine möglichen Verstöße gegen das Berufsrecht. Nun handelt es sich aber um das könglich bayrische Amtsgericht vor dem man da steht. Vor dem müsste man vielleicht eine Robe nach § 20 BORA tragen. Oder nicht, weil HV in Berlin? Oder § 17 StGB analog bei Verstoß gegen § 20 BORA oder vielleicht….
    3. Reisekosten: ggf. Nr. 9006 Nr. 2 Anl. 1 GKG

  5. Ja Carsten, erzähl mal, Robe im eigenen Büro? Und bem Betrachten der „Draußenblder“ vielleicht den Hut aufgesetzt?

  6. Es freut mich, dass ich nicht der Erste bin, der richterlichen Besuch in seiner Kanzlei erhält. Das Akenzeichen habe ich noch nicht. Dies wird dann mit der Ladung kommen.

    Der Richter erkundigte sich auch nach einer bestehenden Rechtsschutzversicherung. Ich gehe deshalb davon aus, dass es sich bei den Reisekosten um Gerichtskosten handeln wird.

    Ich werde bei der nächsten Gelegenheit auch einmal in Berlin Moabit nachfragen, ob die Verkehrsrichter zu mir in die Kanzlei kommen.

    Herr Hoenig, hatten Sie bei Ihrem Termin eine Robe an?

  7. Wenn die Staatskasse die Reisekosten des Richters zahlt, sind das dann Gerichtskosten, die der Verurteilte zu tragen hätte?

  8. Peter sagt:

    und nebenbei zahlt die Staatskasse dem Richter auch noch einen kleinen Wochenendausflug (unterm Strich vielleicht billiger als die Anfahrt von RA und Zeuge, aber nur, wenn er nicht noch die Übernachtungskosten geltend macht). Schade dass so wenig Jamaikaner bei uns zu schnell fahren 🙂

  9. egal sagt:

    Vermutlich will da wer mal dienstlich reisen dürfen 😉

    Nachvollziehbar ist das nicht, vor allem in einer OWi-Sache…

  10. Lassen Sie mich raten: Das Aktenzeichen beginnt mit „2 OWi“ und das Gericht liegt in einer Festspielstadt. Bestellen Sie dem Richter einen Gruß von mir. 🙂

    http://www.kreuzberger-verkehrsrecht.de/hauptverhandlung-in-der-anwaltskanzlei

  11. RA JM sagt:

    Respekt! Ein wohl fast einzigartiges Beispiel- und auch eine tolle Idee: Neben dem RiAG auch den RiAd einzuführen, den Richter im Außendienst. Das Modell hat Zukunft!

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