Kategorie: Strafprozessrecht

Abwesenheit des Angeklagten

Ein Gastbeitrag von Alexander Barthel Der Europäische Gerichthof für Menschrechte (EGMR) hat in einem Urteil vom 22 September 2009 seine ständige Rechtsprechung zum fairen Verfahren und dem Grundsatz einer effektiven Verteidigung des Angeklagten im Strafverfahren erneut bestätigt (Dr. Wolfram Karl, LLM, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 6 Rn 385). Im vorliegenden Fall war eine Berufung von einem finnischen Gericht verworfen worden, weil der Angeklagte schuldhaft zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, obwohl sein Rechtsanwalt verteidigungsbereit anwesend war. Der EGMR sah in der Verwerfung der Berufung alleine auf Grund der fehlenden Anwesenheit des Angeklagten eine Verletzung des Art. 6 Abs....

Unschuldig aber trotzdem verurteilt – Ausnahme oder Alltag?

Wahrscheinlich werden viele von uns denken, dass so etwas nur in Filmen passiert. Warum sollte jemand verurteilt werden, wenn er unschuldig ist? Ein fachkundiges Gericht hat den Sachverhalt doch geprüft. Ohne Beweismittel wird man doch nicht verurteilt, oder? Die Realität sieht meines Erachtens leider anders aus. Richter sind auch nur Menschen, sie unterliegen den selben Fehlern wie der Rest der Welt. Sitzt erst einmal eine Person vor dem Richter, sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass sich eine Person strafbar gemacht hat. Wenn dann die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, wird schon etwas am Tatvorwurf dran sein....

Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 02. Dezember 2009 – 2 Str 363/09 – nochmals die inhaltlichen Anforderungen an die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit gem. § 244 Abs. 3 StPO aufgeführt. Hierzu zählt, dass der Tatrichter darstellen muss, aus welchen Erwägungen er einem Umstand keine Bedeutung zumisst. Sollten tatsächliche Umstände die Bedeutungslosigkeit begründen, muss dargestellt werden, warum sich diese Umstände beim tatsächlichen Vorliegen nicht auf die Entscheidung auswirken können. Die alleinige Wiedergabe des Gesetzestextes ist nicht ausreichend. Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

Macht man sich strafbar, wenn man unverzollte Zigaretten kauft?

Kettenraucher K raucht täglich einige Päckchen Zigaretten. Als die Bundesregierung erneut die Tabaksteuer anhebt, hat K keine Lust mehr, seine Zigaretten am Kiosk zu kaufen. Am Bahnhof steht stets ein freundlicher Mann, der in einer Einkaufstüte 2-3 Stangen Marlboro zum Verkauf anbietet. Da der freundliche Mann statt 5 Euro nur 3 Euro verlangt, kauft K seine Zigaretten nun dort. Er weiß natürlich, dass für die Marlboro-Zigaretten des freundlichen Mannes kein Zoll bezahlt wurde, es sich also um „Schmuggelzigaretten“ handelt. Der günstige Preis verscheucht aber alle Bedenken. Macht sich K durch den Kauf der geschmuggelten Zigaretten strafbar? Zunächst vorweg: Zölle bzw....

Hochverdächtig 1/3

Heute der erste Teil eines kleinen Lernbeitrags zum Strafprozessrecht. Das Strafprozessrecht unterscheidet drei verschiedene Verdachtsgrade, nämlich den Anfangsverdacht den hinreichenden Tatverdacht und den dringenden Tatverdacht Wenn man sich den Verdacht als einen Strahl vorstellt, der bei bei 0 % beginnt und bei 100 % endet, wobei 0 % für „der Beschuldigte ist völlig unverdächtig“ und 100 % für „der Beschuldigte ist sicher der Täter“ steht, kann man die Verdachtsgrade leicht anordnen und sich so ihr Wesen verständlich machen. 1. Der Anfangsverdacht Ganz links, vl. bei 2-3 % steht der Anfangsverdacht. Dieser ist eine niedrige Hürde, die der Staatsanwaltschaft gestellt wird,...

Gewinner!

Wir wünschen euch ein gesundes neues Jahr 2010 und – auch wenn es für ein Weihnachtsgeschenk zeitlich nicht mehr gereicht hat – möchten den Gewinner der 2. Runde „Mitquizzen mit Halbwissen“ mit freundlicher Unterstützung des Beck-Verlags bekannt geben. Wir waren wieder gewohnt großzügig bei den Lösungen und empfehlen euch eine etwas intensivere Beschäftigung mit den Problemen des Weihnachtsbaum-Falles. Was ist zum Bespiel mit dem nicht vollendeten Regelbeispiel..? Die kleinen Ungereimheiten unseres aktuellen Blog-Maskottchens haben alle erkannt und die ganz unterschiedlichen Ansichten zu den berufsspezifischen Taten des Nikolaus haben uns besonders gefreut. Hervorzuheben ist hier die knappe aber feine Lösung von...

Negativtatsache und Beweisantrag

Immer wieder kommt man als Strafverteidiger in eine Situation, in der man in einem Beweisantrag aufnehmen muss, dass im weitesten Sinne etwas „nicht“ stattgefunden hat. Bei dem „nicht“ handelt es sich um eine sogenannte Negativtatsache. Bestes Beispiel hierfür ist, dass der Beschuldigte „nicht“ am Tatort gewesen sein soll. Als Beweismittel bietet der Beschuldigte regelmäßig einen Zeugen an, der bestätigen wird, dass der Beschuldigte zur Tatzeit ganz wo anders gewesen ist (Alibizeuge). Sobald ein „nicht“ im Beweisantrag auftaucht, ist besondere Vorsicht geboten. Diese Vorsicht resultiert daher, da ein Beweismittel immer nur Beweis erbringen kann, über Tatsachen, welche dem Beweisgehalt des Beweismittels...