Kategorie: Gastbeitrag

Sitzengelassen – wenn die Pflichtverteidigerin ihren Mandanten erst nach sieben Wochen im Gefängnis besucht

Gastbeitrag von Rechtsanwältin Vanessa Gölzer, Strafverteidigerin aus Berlin Das Verhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Verteidiger sollte auf gegenseitigem Vertrauen basieren. Das gilt sowohl für das Verhältnis zum gewählten Verteidiger als auch zum Pflichtverteidiger. Da mit einem Mandat in der Pflichtverteidigung aber weniger Geld verdient werden kann, sollen vereinzelte Strafverteidiger ihre Aufgaben bei einer notwendigen Verteidigung nur halb so engagiert wahrnehmen, wie sie dies bei einer Wahlverteidigung getan hätten. Dies legt zumindest eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2019 – 931 Gs 7681 Js 240147/17 nahe. Hier wurde dem Beschuldigten eine Rechtsanwältin als Pflichtverteidigerin beigeordnet, weil...

Auch dem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt muss ein Strafbefehl formlos an den Kanzleisitz übermittelt werden

Gastbeitrag von Rechtsanwältin Vanessa Gölzer, Strafverteidigerin aus Berlin Ein Strafbefehl kann weitreichende Konsequenzen haben. Denn wird kein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich. Das bedeutet auch, dass alle rechtlichen Folgen einer Verurteilung eintreten, inklusive einer Eintragung im Bundeszentralregister und gegebenenfalls im Führungszeugnis. Wer das nicht möchte, muss schnell handeln oder genauer gesagt: innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen. Die Frist beginnt ab der Zustellung des Strafbefehls. Wird die Frist unverschuldet versäumt, kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Hat man einen Verteidiger engagiert, bekommt dieser den Strafbefehl zugestellt,...

Kann die Rechtskraft eines Urteils durchbrochen werden?

Ein Gastbeitrag von Rebekka Franke, Studentin an der Freien Universität Berlin In dem Beschluss vom 15.12.2015 – 17 Qs 71/15 beschäftigt sich das Landgericht Stuttgart mit der Frage, ob ein Sachverständiger als neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO einen Wiederaufnahmegrund darstellen kann. Vorausgegangen war ein Verfahren des Amtsgerichts Stuttgart, in welchem der Verurteilte wegen Erschleichen von Leistungen unter anderem zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten und einer Woche bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilte wurde. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Zur Begründung des Antrags legte er...

Guter Wille – Gutes Recht? (Teil 2)

Ein Kommentar zur Reform von § 46 Abs. 2 S. 2 StGB und ihrer Bedeutung für die Strafzumessung bei Hassverbrechen von Matthias Kelsch, Student in Regensburg [Fortsetzung von Teil 1 des Beitrages] Daran bestehen Zweifel. Nicht nur, weil z. B. rassistische Tatmotive in der Rechtsprechungspraxis schon jetzt als Strafschärfungsgrund herangezogen werden. Sondern auch, weil bei der Berücksichtigung von Tätermotiven zur Begründung einer schärferen Strafe Vorsicht geboten ist. Der geltende Wortlaut von § 46 Abs. 2 S. 2 StGB suggeriert zwar einen anderen Schluss, doch verbietet es sich in einen Rechtsstaat Tätermotive als solche strafschärfend zu berücksichtigen. Was damit gemeint ist,...

Guter Wille – Gutes Recht? (Teil 1)

Ein Kommentar zur Reform von § 46 Abs. 2 S. 2 StGB und ihrer Bedeutung für die Strafzumessung bei Hassverbrechen von Matthias Kelsch, Student in Regensburg Am 19.03.2015 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages“ mehrheitlich angenommen. Der Titel dieses Entwurfs gibt keinen Hinweis darauf, dass sein Inhalt mit den Reformvorschlägen des NSU-Untersuchungsausschusses teilweise in keinem Zusammenhang steht. Er sieht eine Erweiterung der Aufzählung strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte in § 46  Abs. 2 S. 2 StGB vor. Hinter die Wörter „Ziele des Täters“ soll der Passus „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“...

Riesige Schweinerei im Tatort – skrupelloser Fleischproduzent besticht die Polizei

Ein Gastbeitrag von Tobias Kreher* „Der sanfte Tod“ heißt der Tatort vom 07. Dezember 2014. Hinter diesem zunächst einfach klingenden Titel versteckt sich die ganz große Moralkeule. Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ermittelt in den Kreisen der Fleischwirtschaft – und gerät dabei selbst in Konflikt mit ihrem Gewissen. Der persönliche Fahrer des Fleischindustriellen Jan-Peter Landmann (Heino Ferch) wird aus dem Hinterhalt erschossen. Aber nicht bei der Ausübung seiner Tätigkeit, sondern auf dem Rücksitz des Autos. Landmann selbst hatte kurz zuvor das Steuer übernommen, sodass man schnell ein Attentat auf Landmann vermutet, das wegen der Personenverwechselung missglückte. Genug potenzielle Feinde hat...

Menschenhandel im Tatort – Bundespolizei geht ein Licht auf, und wieder aus.

Ein Gastbeitrag von Tobias Kreher* Der Oldenburger Tatort vom 30.11.2014 hat sich ein ganz besonders komplexes Thema ausgesucht: den Krieg in Syrien. Es geht um Schleuser, gefälschte Pässe und komplizierte Familiengeschichten. Diesmal ermittelt sogar die Bundespolizei in Gestalt von Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller). Eher zufällig werden die Polizeibeamten anfangs auf eine Flüchtlingsfamilie aufmerksam, die vom Dokumentenfälscher Faisal Azim (Tamer Yigit) die nachgemachten deutschen Pässe an einer Tankstelle entgegennimmt. Die kleine Tochter liegt tot im Kofferraum, der Vater wird bei der anschließenden Polizeikontrolle erschossen. Gleichzeitig erzählt dieser Tatort die Geschichte einer gewissen Raja (Daniela Golpashin),...